Uneingeweihte könnten durch die Darstellung der Wahlergebnisse auf den Webseiten der Stadt Wien in die Irre geführt werden. Ein paar „Basics“, damit es niemandem so geht wie mir.
Wer sich für Wahlergebnisse interessiert, freut sich über ein spezielles Service der Stadt Wien: Man rufe den Stadtplan mit den entsprechenden Einstellungen auf, zoome an den Ort des Interesses und schon sind die Ergebnisse für jeden Wahlsprengel per Mausklick verfügbar. Wunderbar, dachte ich nach den Wahlen vom 11. Oktober 2015.
Am Montag danach sah ich mir einige vorläufige Ergebnisse an – Wahlberechtigte, abgegebene Stimmen, gültig – ungültig etc., alles da, sowohl für Gemeinderat als auch Bezirksrat. Perfekt. Aber die Wahlkarten, die können da noch nicht dabei sein, so viel war mir klar. Also warte ich auf die Auszählung der Wahlkartenstimmen, die Dienstag abgeschlossen sein wird.
Gesagt, getan. Fast identisch eigentlich, fiel mir am Dienstag auf. Nur geringfügige Abweichungen in den paar Sprengeln, die mich interessierten, ein paar Stimmen höchstens anders. Seltsam eigentlich, da ja mehr als 160.000 Wahlkartenstimmen erwartet wurden. Aber vielleicht hat ja gerade in diesen Sprengeln kaum wer mit Wahlkarte gewählt. Dann rechnete ich mir die Wahlbeteiligung aus – abgegebene Stimmen durch Wahlberechtigte. Hm. Das ist aber schon sehr wenig, dachte ich. Aber interessant: es gibt offenbar viele Wahlmuffel in diesen Sprengeln, und ich berechnete weiter. Das war die Falle Nr. 1, in die ich getappt bin.
Und wie hoch war die Wahlbeteiligung an den Bezirksratswahlen? Da haben ja auch EU-BürgerInnen gewählt, das hat mich auch interessiert.
Das Ergebnis war eigentlich unglaublich. Praktisch war die Zahl der abgegebenen Stimmen identisch mit der Zahl der abgegeben Stimmen bei den Gemeinderatswahlen, wenn auch etwas verschleiert durch eine unterschiedliche Zahl der gültigen Stimmen und abweichende Wahlergebnisse. Kann das sein, das in den paar Sprengeln fast niemand von unseren EU-MitbürgerInnen gewählt hat?
Naja, warum nicht, dachte ich mir; in Wien insgesamt waren es ja auch nur ca. 22%, wie eine Überschlagsrechnung ergab; und in kleineren Stichproben sind die Abweichungen aus mathematischen Gründen größer, also ist es durchaus möglich, dass in einzelnen Sprengeln praktisch Wahlabstinenz besteht. Das war die Falle Nr. 2, und sie schnappte ebenso zu. Vorerst jedenfalls.
Die Sache ließ mir aber keine Ruhe, und ich fragte bei der zuständigen Magistratsabteilung, der MA 62 nach. Seither bin ich gescheiter. Die Sprengelergebnisse werden zwar als solche präsentiert, es sind aber gar nicht die Sprengelergebnisse – alles klar?
Was man da online abrufen kann, beinhaltet weder die Stimmen, die mittels Briefwahl abgegeben wurden, noch die Stimmen der UnionsbürgerInnen. Daher auch die scheinbar extrem geringe Wahlbeteiligung. Diese nicht enthaltenen Stimmen werden nur auf Bezirksebene ausgewiesen und den Sprengeln nicht zugeteilt (sofern überhaupt möglich). Und das ist so, weil das Wahlgeheimnis gewahrt werden muss: Aufgrund der eventuell kleinen Zahl der Betroffenen wären Rückschlüsse auf das Wahlverhalten möglich.
Fazit
1. Im Online-Stadtplan findet man weder Wahlkartenstimmen noch die Stimmen der UnionsbürgerInnen.
2. Es ist überhaupt nicht möglich, festzustellen, wie genau auf Sprengelebene gewählt wurde.
3. Leider wird aber so getan, als ob es so wäre.
Immerhin lässt sich feststellen, wie die WahlkartenwählerInnen und UnionsbürgerInnen insgesamt und wie sie auf Bezirksebene gewählt haben. Das erfordert aber einigen Aufwand: Man muss sich auf den Webseiten zu den Ergebnissen der Gemeinde- bzw. Bezirksratswahlen eine Excel-Datei mit den „Sprengelergebnissen“ herunterladen. In dieser Tabelle sind nach den „echten“ Sprengeln je Bezirk so genannte „organisatorische“ Sprengel aufgelistet, die sich dadurch auszeichnen, dass sie keine Wahlberechtigten haben.
Bei den letzten Wahlen handelt es sich um vier „organisatorische Sprengel“, eines beinhaltet die von ÖsterreicherInnen per Wahlkarte/Briefwahl abgegebenen Stimmen (diese Anzahl ist bei der Gemeinderats- und der Bezirksratswahl identisch), ein weiteres die Briefwahlstimmen von UnionsbürgerInnen, ein drittes die Stimmen von UnionsbürgerInnen, die in Wahllokalen abgegeben wurden, und im „Sprengel 0“ am Anfang jeder Bezirksaufstellung sind Stimmen von ÖsterreicherInnen ausgewiesen, die mit Wahlkarte im Wahllokal eines anderen Bezirks gewählt haben (siehe Grafik).
Ausgestattet mit diesen Zahlen kann man sich dann „hypothetische“ Sprengelergebnisse ausrechnen, beispielsweise indem man diese Extra-Stimmen den Sprengeln proportional zur Zahl der jeweiligen Wahlberechtigten zuordnet. Ein echtes Sprengelergebnis erhält man derart natürlich nicht: Sprengelergebnisse sind so etwas wie kleine „Stichproben“ aus der Grundgesamtheit des Bezirks, und die Streuung ist dadurch zwingend größer. Genau diese Abweichungen sind natürlich das Interessante, lassen sich aber wie gesagt nicht feststellen.
Wer genau wissen will, wie das rechtlich geregelt ist: Hier der Link zur Wiener Gemeindewahlordnung 1996.