Mein „topsaniertes“ Nebenhaus wird nun verwertet – mit einem Grätzel-Preisaufschlag von bis zu 16% gegenüber dem Ottakringer Schnitt. Gleichzeitig sagt auch der Altwarenladen im Haus Tschüss …
Was auch immer der Grund des langen Leerstands war (Statikprobleme? Siehe Verstörendes & Verblüffendes im Bobo-Grätzl ): Jetzt geht’s los. In meinem Nebenhaus nämlich, Weyprechtgasse 8-10. Die Wohnungen werden nun auf den Markt geworfen – alles Eigentum natürlich. Das Transparent ist ja kaum zu übersehen.
Ebenso nicht zu übersehen ist, dass außer den meisten WohnungsmieterInnen (die sind schon lange weg) auch das Altwarengeschäft zu weichen hat – der Abverkauf läuft. Was mich dazu zwingt, mein „ceterum censeo“ anzubringen: Hoffentlich kommt stattdessen keine Gastronomie; davon haben wir schon mehr als genug …
Mit dem Verkauf beauftragt ist derzeit Otto Immobilien – insgesamt sind es 13 Wohnungen, laut Website jedenfalls. Die Quadratmeterpreise schwanken etwa zwischen 4.000 und 4.500 Euro, Letzteres im ausgebauten Dachgeschoss. Laut immopreise.at ist der Ottakringer Schnitt derzeit ca. 3.800 Euro; sämtliche Wohnungen werden über den Durchschnittspreisen angeboten, die kleinen (bis 50m²) sogar um fast 16% über dem Schnitt. Diese Preisaufschläge ergeben umgerechnet auf die ca. 900 m², die verkauft werden, satte 360.000 Euro – das könnte man als „Lagezuschlag“ bezeichnen, soweit er sich realisieren lässt (das ist nicht der Gewinn, sondern der „Zusatzgewinn“).
Nicht schlecht. Vor allem wenn man bedenkt, dass die (mit Balkonen ausgestatteten) Wohnungen an der Rückseite nichts für Depressionsanfällige sind; der Hinterhof gehört zu den dichtverbautesten und finstersten, die ich in der Gegend kenne. In meinem Haus etwa gibt’s grade genug Platz für eine große Mülltonne und einen Altpapierkübel.
Als ein Grund für den Lagezuschlag müssen die „Kreativen“ herhalten – Originaltext Otto Immobilien: „Rund um den Yppenmarkt in Ottakring hat sich in den letzen Jahren ein bunter und boomender Stadtteil entwickelt. In der Umgebung haben viele Kreative ihr Quartier aufgeschlagen und machen den Yppenmarkt und den angrenzenden Brunnenmarkt zu einem der beliebtesten Viertel der Stadt.“
Otto Immobilien legt naturgemäß keinen Wert darauf, zu erwähnen, dass die Aktivitäten der Immobilienbranche, nach Kräften unterstützt von der Gemeinde (mit unserem Geld), genau die „vielen Kreativen“ vertreiben, deren angebliche (wird man bald sagen müssen) Existenz als Verkaufsargument benutzt wird. Siehe mo.ë vs. Vestwerk etwa.
Ebenso hält es natürlich auch Wien Wert, die eben versuchen, Eigentumswohnungen in der Neulerchenfelderstraße 63 zu verkaufen (siehe Foto), leider ohne Preisangabe. Viel billiger werden sie’s wohl nicht geben. Sie begnügen sich mit „Das Brunnenviertel ist einer der Hotspots in Wien“ und fügen dann das Wesentliche hinzu: „… und lässt daher Spielraum für eine potenziell attraktive Werteentwicklung“.
Das Versprechen von Wertsteigerung als Verkaufsargument erinnert mich an das Grundprinzip der Aktienmärkte: „The search for the greater fool“.
Jeder Preis ist okay, solange man jemanden findet, der einem noch mehr dafür zahlt. Ob das der Fall sein wird, weiß niemand, und der Immobilienfirma*) kann es auch egal sein – die haben ihren Schnitt sicher in der Tasche, sobald der Kaufvertrag rechtsgültig ist. Ihre Rendite ist weit höher, und der rasche Kapitalumschlag bedeutet, dass man gleich wieder nach dem nächsten Objekt und neuen WohnungskäuferInnen suchen kann, die einem für die unsichere Aussicht auf einen jährlichen Wertzuwachs von 3% (auf dem Papier) einen Gewinn von 20% oder mehr finanzieren. An „greater fools“ herrscht ja offenbar kein Mangel, zumindest aus Sicht der Immobilienbranche.
*) Damit meine ich hier natürlich Projektentwickler, nicht Makler.