Brunnenviertel: Gentrifizierung und Tourismus

Eine „Aufwertung“ wie im Yppenviertel, einmal in Gang gesetzt, vernichtet nicht nur billigen Wohnraum. Sie begünstigt auch eine „Touristisierung“ – in Form von Infrastruktur wie Hotels, Pensionen, Apartments und „Ferienunterkünften“ (AirBnB und Konsorten).

Den Aspekt des Tourismus habe ich, zugegeben, auf diesem Blog von Anfang an außer Acht gelassen, mit Ausnahme eines Beitrags zu einer Airbnb-Studie. Erst das neue Hotelprojekt in meiner unmittelbaren Nähe (siehe Hotelprojekt und stagnierende Aufwertung) hat mich veranlasst, mir die Situation näher anzusehen. Dabei entdeckte ich gleich ein weiteres Hotelprojekt, das sich bereits in Umsetzung befindet: ein „Stadthotel“ in der Veronikagasse 1 (siehe Bild links).

Zukünftiges „Stadthotel“ in der Veronikagasse 1

Das Dachgeschoß des Gebäudes war schon seit jeher ausgebaut, daher war nicht klar, was da nun gemacht wird. Das entnahm ich der Website des verantwortlichen Architekturbüros (opu-architekten.com). Dort heißt es:

Neuzugang im Ottakringer Grätzel: An der südöstlichen Ecke des Yppenviertels verwandeln wir derzeit ein Gründerzeitwohnhaus in ein Stadthotel. Während das Innere des Gebäudes für die künftige Nutzung entkernt und umgebaut wird, bleibt das Fassadenbild weitgehend erhalten.

Hotels als Spitze des Eisbergs.

In ein paar hundert Metern Entfernung vom Yppenplatz gibt es bereits jetzt vier Hotels unterschiedlicher Größe: das „Donauwalzer“ am Hernalser Gürtel, das Hotel Exe Vienna (Ottakringer Straße 34-36), das Hotel Geblergasse (Geblergasse 19-21) und das Mate Hotel Dependance (Bergsteigg. 22). Mit dem Stadthotel in der Veronikagasse 1 werden es fünf sein und sechs, wenn das 4-Sterne-Projekt in der Bergsteiggasse 1 realisiert wird.

Tatsächlich gibt es abgesehen von den Hotels aber außerdem noch ein ziemlich dichtes Netz aus weiteren touristischen Unterkunftsangeboten im Grätzel bzw. im Brunnenviertel. Mit Google Maps etwa kann man sich sogenannte „Ferienunterkünfte“ anzeigen lassen. Das sind schon ziemlich viele, siehe nachstehenden Screenshot von einem Ausschnitt des Viertels: Jeder kleine rote Punkt zeigt ein Beherbergungsangebot an.

Google Maps, „Ferienunterkünfte“

Ein paar davon könnte man durchaus als „Pensionen“ bezeichnen, etwa die „Hisa Apartments“ in der Brunnengasse 60 (auf Google Maps fälschlich „Pension Brunnenmarkt“) oder die „Vienna Sunny Side Up Apartments“ (6 Apartments) in der Ottakringer Straße 52 (der Text auf Google Maps steht im falschen Häuserblock). Von diesen beiden Quasi-Hotels wusste ich bisher nichts. Bei einigen der roten Punkte handelt es sich offenbar um Apartments wie etwa die folgenden: „Roof-Terrace Suite Gustav Mahler“ (Veronikagasse 25), „Raimond Apartment Ottakring Top 14“ (Ottakringer Straße 39), das Apartment in der Payergasse 13/28, ein „Apartment Hernals“ (Bergsteiggasse 15) oder ein „JZ Apartment“ in der Schellhammergasse 3/3.

Airbnb. Fast schon unübersichtlich wird es, wenn man sich die Airbnb-Angebote aus meiner näheren Umgebung ansieht, siehe nachstehenden Screenshot. Hier stellen die kleinen Ovale weitere Angebote dar, die man sich mit der Maus anzeigen lassen kann. Es gibt hier mittlerweile also schon viele Leute, die über Wohnraum verfügen, den sie selbst gar nicht brauchen, zumindest nicht ganzjährig.

Airbnb-Karte, zusammengebastelt

Wie es ohne die Grenzen aussehen würde, die die Stadt Wien für Airbnb und Konsorten mit der Bauordnungsnovelle 2023 gesetzt hat, kann man nur vermuten. Denn seit 1. Juli 2024 ist das Airbnb-Modell nur mehr für maximal 90 Tage im Jahr zulässig; dafür ist zudem eine Ortstaxe zu bezahlen. Das nennt sich „Home Sharing“. Die entsprechenden Daten muss z. B. Airbnb an Wien liefern. (Siehe u.a. Merkblatt Verwendung von Wohnungen zur Kurzzeitvermietung (pdf).)

Wie die Aufwertung die „Touristisierung“ erleichtert.

Ob der bisherige Ausbau der touristischen Infrastruktur im Yppen- und Brunnenviertel im Vergleich zu anderen Wiener Grätzeln besonders stark ausgefallen ist, wäre eine Untersuchung wert. Hier jedenfalls tragen die von der Gemeinde geförderten „Aufwertungsprozesse“ und Entwicklungen des Immobilienmarkts dazu bei, vor allem Abrisse und Neubauten sowie der hohe Anteil von Eigentums- und Vorsorgewohnungen am neu geschaffenen Wohnraum.

Man kann einen Teil des neuen Wohnraums von vornherein für Beherbergungszwecke widmen lassen (Umwidmungen vorhandenen Wohnraums sind schwierig!) oder gleich das ganze Objekt als Hotel errichten bzw. in ein solches umwandeln, wie das eben in Bau befindliche „Stadthotel“ in der Veronikagasse 1 und das Hotelprojekt Bergsteiggasse 1 zeigen.

Dazu kommt, dass der neu geschaffene „Wohnraum“ großteils aus Eigentumswohnungen besteht und sich darunter viele „Vorsorgewohnungen“ befinden, die als Vermögensanlage erworben werden. Diese kann man auf längere Zeit vermieten oder aber man nutzt sie im Rahmen der gesetzlichen Beschränkungen für Beherbergungszwecke, sprich Airbnb und Konsorten. Diese geplante Nutzung kann man im Wohnungseigentumsvertrag festschreiben lassen – beispielsweise durch einen Hinweis „Nutzung zu Ferienzwecken“, heißt es auf oesterreich.gv.at. Als „kurzfristige“ Dauer wurden vom Obersten Gerichtshof (OGH) in einem konkreten Fall wiederholte Vermietungen von zwei bis dreißig Tagen gewertet, siehe Vermieten der Eigentumswohnung.

Lokale Vielfalt vs. Schmelztiegel-Stereotyp

Im Zuge der Gentrifizierung werden also nicht bloß Alteingesessene durch Betuchtere ersetzt, sondern es werden gezielt Unterkünfte für zahlungskräftigere Gäste geschaffen, die sich nur kurzfristig hier aufhalten. Die Vielfalt der lokalen Bevölkerung wird dabei als „Standortvorteil“ vermarktet, d. h. die „Einheimischen“ spielen die Rolle einer „Sehenswürdigkeit“. Vor allem jene, die den Brunnenmarkt bevölkern, weil sie auf die niedrigeren Preise angewiesen sind oder die nicht gerade lukrativen Jobs dort erledigen, bei jedem Wetter.

Das lässt sich etwa der Website von Vienna Sunny Side Up Apartments entnehmen. Hier wird natürlich offenbar gedankenlos auch das Stereotyp des „Schmelztiegels“ beschworen, der ja definitionsgemäß zu einem Einheitsbrei führt, also zum Gegenteil der Vielfalt. Ich beziehe diesen Text nur aus Dokumentationszwecken hier ein, denn beim Lesen der konzentrierten Floskeln kann es einem übel werden:

„Das absolute Highlight ist der multikulturelle Yppenplatz und der dazugehörige Brunnenmarkt direkt vor der Haustür. Hier finden Sie frische Köstlichkeiten soweit das Auge reicht, ein vielfältiges gastronomisches Angebot, Cafés, Bars, Bäckereien und unzählige Marktstände mit frischen Lebensmitteln aus aller Welt.
Ein ganz besonderes Flair – hier trifft alles zusammen, vom Döner bis zur Sachertorte!
Ein echter Schmelztiegel – das ist Wien!“

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