Die Wiener Wirtschaft ist weit davon entfernt, sich von der Finanzkrise zu erholen: Trotz eines etwas besseren Wachstums in 2015 lag die Wirtschaftsleistung pro Kopf Ende 2015 bereits 5,7% unter dem Wert von 2007, mit einem anhaltenden Abwärtstrend. (Aktualisiert April 2017)
Im Zeitraum 2007-2015 verzeichnete die Wiener Wirtschaft die zweitschlechteste Entwicklung aller Bundesländer in Bezug auf das reale Bruttoregionalprodukt (BRP) und die mit Abstand schlechteste Entwicklung des BRP pro Kopf (minus 5,7% inflationsbereinigt).
Daran ändert sich auch nichts Wesentliches, wenn Wien und Niederösterreich als gemeinsame Region betrachtet werden, um Verzerrungen durch das Auseinanderfallen von Arbeitsort und Wohnort zu berücksichtigen („Wien & NÖ“ in beiden Grafiken).
Wesentliche Faktoren sind zweifellos die gesamteuropäische Stagnation im Gefolge der wachstumsfeindlichen Sparpolitik sowie die starke Zunahme der Bevölkerung der Bundeshauptstadt: Die Zahl der EinwohnerInnen stieg von 1,66 Mio. im Jahr 2007 auf 1,814 Mio. in 2015. Die Zurechnung wirtschaftlicher Aktivitäten in Wien zu Niederösterreich spielt sicher ebenfalls eine Rolle, aber keine entscheidende.
Auf Basis der von statistik.at erst 2017 veröffentlichten (und nach wie vor vorläufigen!) Zahlen für 2015 ergibt sich das folgende ernüchternde Bild: Das Bruttoregionalprodukt Wiens pro Kopf lag Ende 2015 real bei nur mehr rund 94,3% des Werts von 2007 (siehe erste Grafik). Bleibt zu hoffen, dass der „Aufschwung“ der gesamtösterreichischen Wirtschaft in 2016 (+1,5% lt. Statistik Austria) sich auch in Wien entsprechend manifestiert hat.
Wird zur Inflationsbereinigung der nominellen Zahlen nicht der offizielle BIP-Deflator von Statistik Austria herangezogen, sondern der Verbraucherpreisindex (VPI), steckte die Wiener Wirtschaft von 2010 bis 2014 in einer Rezession (BRP 2014 knapp unter 99% des Werts von 2007), die erst 2015 überwunden wurde. Das BRP pro Kopf stagnierte demnach 2015 bei nur 92,3 % des Werts von 2007 (siehe folgende Grafik).
Die Verwendung des VPI könnte ein realeres Bild zeigen, da der offizielle BIP-Deflator unter Verdacht steht, die Inflation systematisch zu unter- und damit das Wachstum zu überschätzen. Noch dazu wurde aber auch die Berechnung des VPI in einer Weise verändert, die zu einer Unterschätzung der Teuerungsrate führen kann. Siehe dazu u.a. Unsere Wirtschaft „wächst“ um 0,0% – wirklich? bzw. Die Neuerung der Teuerung (www.wirtschaftsblog.info).
Dessen ungeachtet ist der Trend selbst unter Anwendung des BIP-Deflators, also der offiziellen Berechnung so ausgeprägt, dass es wohl zumindest eines starken realen Wachstums bedürfte, um eine Umkehr herbeizuführen. Ein solches Wachstum ist aber im aktuellen europäischen Kontext nicht zu erwarten. Woraus folgt: Die Wiener Wirtschaft wird weiter mit Wachstumsproblemen und einer sich gleichzeitig verschlechternden Struktur konfrontiert sein.
Mit lokalen Behübschungsaktionen und einer „Aufwertungspolitik“ in dicht bebauten Gründerzeitvierteln werden sich diese Probleme nicht beheben lassen, soviel sollte klar sein: Damit wird im Wesentlichen nur Kaufkraft von einem Viertel in ein anderes verschoben, ein Nullsummenspiel. Insoweit damit noch negative Umverteilungseffekte verbunden sind (unter dem Strich Senkung des privaten Konsums über steigende Wohnkosten), handelt es sich sogar um einen Schuss ins eigene Knie.