Aufwertungsprozess verlangsamt – Ende der Bonanza?

Der Prozess der „Aufwertung“ im Yppen-/Brunnenviertel und Umgebung scheint sich verlangsamt zu haben. Das könnte auch daran liegen, dass es mit der Bonanza im Immobiliengeschäft vorerst vorbei ist.

Auf goingbobo.rpoth.at versuche ich weiter, die Abrisse, Neubau- und Sanierungsprojekte und Dachbodenausbauten im Grätzel und der näheren Umgebung im Auge zu behalten und fotografisch zu dokumentieren, siehe Dachbodenausbau, Sanierungen, Neubauten.

Zuletzt kam aber nur mehr wenig hinzu, im ganzen Jahr 2022 nur der Abriss in der Ottakringer Straße 40, ein Dachbodenausbau in der Grundsteingasse 38 und das Sanierungsprojekt Abelegasse 20, sofern mir nichts durch die Lappen gegangen ist. Ein Update zum Ende 2021 abgerissenen Gebäudekomplex Steinergasse 8 / Bergsteiggasse 5: Hier entstehen tatsächlich Eigentums- und freifinanzierte Mietwohnungen, wie ich vermutet hatte (siehe Bild rechts).

An den klassischen Aufwertungsprojekten gemessen (Abriss, Dachbodenausbau, Sanierung, Neubau) scheint sich das Tempo der Gentrifizierung im Grätzel und der näheren Umgebung deutlich verringert zu haben.

Leider scheint auch das begrüßenswerte Projekt Apfelbaum in der Ottakringer Straße ins Stocken geraten zu sein: „Ab Herbst 2023“ heißt es noch immer auf einem der Plakate, doch seit den Abrissen von 2020 hat sich nichts getan (siehe Bild links). Bloß die in der Baulücke aufsprießenden Götterbäume wurden im Vorjahr entfernt.
[Update Mai 2023] Mein Ersuchen um aktuelle Informationen wurde schließlich im Mai von den Projektverantwortlichen beantwortet – es hätte bloß etwas umgeplant werden müssen; ansonsten ist offenbar alles in Ordnung.

Mögliche Ursachen. Ein naheliegender Grund für das nachlassende Tempo ist natürlich, dass ein Großteil des Potenzials für rasche Aufwertungsgewinne bereits ausgeschöpft wurde. Das wäre ein lokales Phänomen.

Es könnte sich aber bereits um eine Auswirkung der veränderten wirtschaftlichen Rahmenbedingungen handeln. Die Europäische Zentralbank (EZB) versucht, mit Leitzinserhöhungen die zuletzt sprunghaft angestiegene Inflation unter Kontrolle zu bringen, womit sie aber weitgehend scheitern wird: Die Verteuerung ist nicht auf eine übermäßige Nachfrage zurückzuführen, sondern angebotsseitig verursacht (Knappheiten und Kostensteigerungen im Energiesektor, Lieferkettenprobleme usw.).

Dieses Scheitern wird die EZB als ideologisch dominierte Institution aber nicht zum Umdenken bewegen: Sie wird die Leitzinsen weiter erhöhen und damit die drohende oder bereits eingetretene Rezession noch verschärfen.

Damit entfällt einer der sechs Hauptfaktoren, die ich im Oktober 2016 im Beitrag Warum die Gentrifizierung weiter voranschreiten wird angeführt habe: die Niedrigzins-Politik der Europäischen Zentralbank, der Fokus der Banken auf Hypothekarkredite, der fehlende soziale Wohnbau, das vermieterfreundliche Mietrecht, die fehlgeleitete Bezirks- und Gemeindepolitik sowie das Projektmarketing der Immobilienbranche.

Ende der Bonanza. Für das Immobiliengeschäft ist das fatal. Denn die Staatsanleihen, die in den letzten Jahren aufgrund der Nullzins-Politik teils negative Renditen abwarfen, werden nun im Vergleich zu Immobilieninvestments attraktiver, während die Banken gleichzeitig die Zinsen für Immobilienkredite und den geforderten Eigenmittelanteil erhöhen. Ein Einbruch sowohl der Nachfrage als auch der Preise ist unvermeidlich und bereits im Gange.

Das Immobilien-Netzwerk RE/MAX etwa erwartet für 2023 österreichweit einen Rückgang der Nachfrage bei Eigentumswohnungen um 8,3 Prozent und der Preise um 6 Prozent. Die „Wertsteigerung aus 2022 wird 2023 wegschmelzen“, heißt es im Titel der Prognose 2023 von RE/MAX. Die folgende Grafik ist Teil der Presseinformationen von RE/MAX zum 4. Jänner 2023.

Quelle: RE/MAX, pdf

Preise wie vor 2014. Dass die Wertsteigerung von 2022 wegschmelzen dürfte, könnte übrigens eine krasse Untertreibung sein. Sofern die Prognose von RE/MAX für 2023 zutrifft, werden die Preise von Eigentumswohnungen Ende des Jahres sogar unter dem Niveau von 2014 liegen. Das ergibt sich, wenn man die in der Grafik oben angegebenen nominellen Preisänderungen um die Inflation korrigiert. Das sieht dann so aus:


Quellen zur Grafik oben: Preise von RE/MAX, Inflationszahlen 2014 bis 2022 von Statistik Austria (Verbraucherpreisindex), die angenommene Inflationsrate für 2023 (6,5 Prozent) entspricht den Erwartungen von IHS (Institut für Höhere Studien) und WIFO (Österreichisches Institut für Wirtschaftsforschung), zitiert im ORF-Beitrag Die Grenzen im Kampf gegen die Teuerung.

Diese Entwicklungen sollten eigentlich auch dem Hype der letzten Jahre seinen Glanz nehmen, den „Vorsorgewohnungen„, die auch im Yppen-/Brunnenviertel einen hohen Anteil am Neubau aufweisen. Die Renditen bei Vermietung lagen bisher bei etwa 2,5 bis 3 Prozent (siehe etwa Immobilienfinanzierung: Sicher investieren in Vorsorgewohnungen). Da bleibt bei einer Inflation von bis zu 7 Prozent für 2023 nichts übrig, Wertverluste nicht eingerechnet …

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