Vor 76 Jahren, mit den Novemberpogromen von 1938, begann auch die Vertreibung der jüdischen Bevölkerung aus dem Brunnen-/Yppenviertel, die für viele Betroffene mit der Ermordung in den Vernichtungslagern der Nazis endete. Dank vieler engagierter Menschen, in Behörden oder außerhalb, gibt es mittlerweile einige Gedenksteine und Gedenktafeln, die daran erinnern.
Einen Häuserblock vom Yppenplatz entfernt, in der Hubergasse 8, befand sich eine jüdische Synagoge, der so genannte „Hubertempel“, der im November 1938 bei von den Nazis inszenierten Pogromen restlos vernichtet wurde. Daran erinnert eine Gedenktafel an dem in den 1970er Jahren an derselben Stelle errichteten Wohnhaus.
Auf dem Gehsteig vor der Ottakringerstraße 35 befindet sich seit 2008 ein so genannter „Stein der Erinnerung“ zum Gedenken an Kálman Klein und Elisabeth Klein, die in diesem Haus wohnten. Kálman Klein wurde 1942 deportiert und in Auschwitz ermordert; Elisabeth Klein wurde 1943 nach Auschwitz deportiert und im KZ Natzweiler ermordet. (Siehe www.steinedererinnerung.net, Projekte – Ottakring)
„Dichterhof“ & Gedenktafel
An der Ecke Brunnengasse-Grundsteingasse steht heute ein Wohngebäude der Conwert-Immobiliengesellschaft (fertiggestellt Oktober 2008), das in Erinnerung an das hier bis 1938 bestehende Kaufhaus der jüdischen Familie Dichter „Dichterhof“ benannt wurde. Eine Gedenktafel in der Grundsteingasse (siehe Bild) erklärt die Vorgeschichte. Das Kaufhaus wurde laut Darstellung in Adunka/Anderl (siehe Quellen etc. unten) „arisiert“ (neuer Eigentümer Edmund Topolansky), 1951 nach Restitutionsverhandlungen an Oskar Seidenglanz verkauft und existierte bis 2004 als „Kaufhaus Osei“.
Ewigkeitsgasse / Frederic Morton
In der Thelemangasse 4 befand sich die Fabrik der Familie des Schriftstellers Frederic Morton, der hier als Fritz Mandelbaum geboren wurde und seine Kindheit und Jugend verbracht hat, bis er 1939 von den Nationalsozialisten vertrieben wurde. Seine Familie besaß die Häuser 2, 4, 6 und 8 in dieser Straße, die nicht länger als eben diese vier Häuser ist.
Auf Nummer 4 gibt es noch immer ein Firmenschild mit dem Namen „Frank Morton“ (der angenommene Name von Frederic Mortons Vater, Franz Mandelbaum). Die Fabrik wurde jedoch von den Mortons/Mandelbaums nach 1945 an Herrn Mühlberger verkauft, von ihm bzw. dessen Sohn weiterbetrieben, aber 2008 (nach meinen Informationen) endgültig geschlossen (siehe Bild links).
In seinem Roman „Die Ewigkeitsgasse“ (1984) gibt Frederic Morton u.a. die Geschichte von Hernals in dieser Zeit wieder. Er schildert darin den Aufstieg des kleinen Handwerkers (Berek Spiegelglas – ein literarisches Porträt des Großvaters des Autors) aus der k. u. k. Provinz zum angesehenen Fabrikanten und Hausbesitzer in Wien bis zu dessen Tod (1938 im Buch, tatsächlich 1936).
Gleich daneben, in der Thelemangasse 6, besteht heute die nach dem vorher erwähnten Romantitel benannte Initiative Kunstraum Ewigkeitsgasse, und am nächsten Haus, der Thelemangasse 8, erinnert eine Gedenktafel an das ehemals hier bestehende jüdische Bethaus, das nach Angaben Frederic Mortons von seinem Großvater, Bernhard Mandelbaum, gespendet wurde.
Am Haus Thelemangasse 8 gibt es außerdem eine Gedenktafel für Edmund Eysler (1874-1949), Operettenkomponist jüdischer Abstammung; diese Gedenktafel bestand aber bereits vor 1938, wurde während der NS-Zeit entfernt und 1949 wieder angebracht. Eysler musste auch nicht fliehen, sondern schaffte es, in Wien mit Hilfe von Verwandten und Freunden zu überleben.
Links, Quellen und Hinweise: Alle Fotos vom Autor; empfehlenswert u.a.:
Jüdisches Leben in der Wiener Vorstadt / Ottakring und Hernals, Evelyn Adunka u. Gabriele Anderl, Mandelbaum Verlag 2013; Geschichtespaziergang „Auf den Spuren jüdischen Lebens im Brunnenviertel in Wien-Ottakring“, Mag. Petra Stein, 2009
Die wenigen existierenden Gedenktafeln/-steine vermitteln nicht die historische Realität; der jüdischstämmige Anteil an der lokalen Bevölkerung dürfte relativ hoch gewesen sein!