Zinshaus-Abriss, hohe Dachwohnungspreise, und die Gastronomie schneidet mit

Vor ein paar Wochen entdecke ich eine neue Baulücke ganz in der Nähe – schon im 17. Bezirk, aber gleich im nächsten Häuserblock: Das Haus Bergsteiggasse 6 wurde abgerissen.

Bergsteiggasse 6: Platz für teure Wohnungen

Bergsteiggasse 6: Platz für teure Wohnungen

Der Abriss eines alten Zinshauses ist an sich nichts Besonderes. Im Rahmen der laufenden Gentrifizierung des Yppen-/Brunnenviertels (“Gentrification light”, wie der Prozess von einigen KritikerInnen der Wiener Wohnungs- und Stadtentwicklungspolitik bezeichnet wird) ist das aber kein Zufall. Ich fühle mich in meiner Ansicht bestätigt, die ich bereits im Beitrag zum Stadtporträt Ottakring in Ö1 vom 23.11.2013 festgehalten habe (siehe Stadtporträt Ottakring & Gentrifizierung: Fast ein “Whitewash”): In dieser Sendung meinte der Stadtplaner Reinhard Seiß, die Aufwertung würde einen ansonsten drohenden Abriss vieler Häuser verhindern. Meine Meinung: Häuser mit guter Bausubstanz dürften kaum abgerissen werden, die mit schlechter allerdings schon, ob mit oder ohne Aufwertung – vor allem die ein- oder zweistöckigen Häuser. Die Bergsteiggasse 6 war genau ein solches.

"Schandfleck" Brunnengasse / Neulerchenfelderstraße

“Schandfleck” Brunnengasse / Neulerchenfelderstraße

Und so scheint es auch zu laufen. Es geht um die Erhöhung der Rendite pro Grundfläche, und ein Abriss und Neubau zahlt sich umso eher aus, je höher die lokalen Mieten und Immobilienpreise sind. Abrisse von Zinshäusern sowie Umwandlung der Miet- in Eigentumswohnungen sorgen übrigens dafür, dass der Zinshausbestand in Wien insgesamt um ca. 1% pro Jahr abnimmt – womit der bisher günstigere Wohnraum vernichtet wird.

In der Bergsteiggasse 6 werden neue, teurere Wohnungen entstehen, ob mit oder ohne Wohnbauförderung (siehe dazu Aufwertung alla Viennese). Ebenso wie in der Baulücke Ecke Brunnengasse-Neulerchenfelderstraße, die eine emsige “Regionautin” auf meinbezirk.at im März 2013 zum “Schandfleck” erklärt hat. In meinem Nebenhaus, Weyprechtgasse 6-10, ist der Dachbodenausbau inzwischen fast fertig – die Dachwohnungen sollen sage und schreibe 6.000 Euro pro m² kosten (nicht verifiziert), was mir weit überhöht erscheint. 4.000 Euro wären schon “Top”. Ich hoffe, dass niemand diesen Preis bezahlen wird, so er denn tatsächlich verlangt werden sollte.

Weyprechtgasse 8-10 - 6.000 Euro pro m²?

Weyprechtgasse 8-10 – 6.000 Euro pro m²?

Die Gentrifizierung schreitet zweifellos voran. Aus der rosaroten Brille gesehen wird “niemand vertrieben”, tatsächlich sorgen die inzwischen mehrheitlich befristeten Mietverträge bloß dafür, dass der Prozess quasi “geräuschlos” abläuft. Auch in meinem eigenen privaten Umfeld. Zwei meiner guten Bekannten haben das Grätzel wegen überhöhter Mietforderungen für eine Vertragsverlängerung bereits verlassen, einem dritten droht eben dasselbe Schicksal – dabei ist er erst vor drei Jahren hergezogen. [Und weg ist er – er hat aufgegeben; Nachtrag vom 13. Mai.]

Vertreibung kann verschiedene Formen annehmen. In meinem bisher relativ günstigen “Stammbeisel”, ideal an der Piazza gelegen, wurden jüngst die Preise kräftig angehoben – die neue Klientel verträgt das ohne Weiteres. Wenn das so weitergeht, werde ich das Lokal allerdings “verlieren” und mich in anderen Grätzeln umschauen müssen, die von einer “Aufwertung” noch verschont geblieben sind.

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