Neulerchenfelder Straße 35: There is no Alternative?

März 2016: Als es die remaprint noch gab


Die Besetzung des Hauses Neulerchenfelderstraße 35 ging ohne Gewalt (nicht ganz, siehe Kasten Nachtrag) zu Ende. Das ist positiv für alle Beteiligten. Ein Erfolg der Besetzung wäre ein Wunder gewesen.

Aktuelle Berichte siehe u. Kurier: Hausbesetzung in Wien-Ottakring: Räumung in luftiger Höhe zu Ende Nachtrag: Den BesetzerInnen zufolge war die WEGA nicht unbedingt zimperlich, siehe nele.noblogs.org.

Was ich mir wünsche: Dass die Besetzung dazu beiträgt, die Diskussion über das nach wie vor ungelöste Wohnungsproblem in Wien zu forcieren. Das wäre als Teilerfolg der BesetzerInnen (nele.noblogs.org) zu werten, die den Medienberichten nach vernünftig genug waren, sich im Zuge der polizeilichen Räumung am 7. Dezember auf passiven Widerstand zu beschränken. Negative finanzielle Folgen wird die Aktion für die BesetzerInnen jedenfalls haben. Dass sie möglichst gering ausfallen mögen, ist mein zweiter Wunsch.

Zur Sinnhaftigkeit von “illegalen” Aktionen in der aktuellen politischen Konjunktur will ich mich hier nicht äußern. Sehr wohl aber zu einer gewissen Symbolträchtigkeit der Vorkommnisse rund um das Haus Neulerchenfelder Straße 35.

Man könnte die Vorgänge als glatten “Sieg des Kapitals” bilanzieren, im Sinne eines Leitspruchs der früheren britischen Premierministerin Margaret Thatcher: “There is no Alternative”. Man lasse den “Markt” schalten und walten, der Rest ergibt sich. Alternative Arbeits- und Lebensformen sind nur lebensfähig, wenn sie “marktkonform” sind, der Rest geht unter. Günstigen Wohn- und Lebensraum in einem Viertel schaffen zu wollen, das sich großteils in der Hand privater HauseigentümerInnen befindet, die seit Jahren von steigenden Immobilienpreisen und Mieten profitieren, ist eine Illusion. Das mussten auch die beherzten AktivistInnen der Kunstinitiative mo.ë in der Thelemangasse 4 zur Kenntnis nehmen (siehe u.a. mo.ë – die letzten Tage).

Das Gebäude war lange Jahre Standort der 1976 gegründeten remaprint, einer mehr oder weniger genossenschaftlich organisierten Druckerei mit ProtagonistInnen aus der trotzkistischen GRM (Gruppe Revolutionärer Marxisten). Die remaprint fiel 2017 nach jahrelangem Existenzkampf dem beinharten Verdrängungswettbewerb in der Druckereibranche zum Opfer, in dem nur die Großen quantifizierbare Überlebenschancen haben. Dazu einen kleinen Beitrag geleistet hat leider auch das Südwind Magazin, für das ich seit 1998 regelmäßig tätig bin. Das Magazin entzog der remaprint vor einigen Jahren den Auftrag für den Druck der Printausgabe des Magazins. Das geschah allerdings nicht freiwillig, sondern war eine Folge des Kostendrucks, dem das Magazin unterlag. Seit 2017 ist das Magazin trotz billigerer Druckerei selbst vom Untergang bedroht, da das Außenministerium (unter Sebastian Kurz) beschlossen hat, die Subvention ersatzlos zu streichen.

Dass die Verwertungspläne für das betroffene Grundstück nun konkreter werden, hängt unmittelbar mit dem Konkurs der remaprint zusammen – das Objekt wurde quasi “bestandsfrei”, wie es im einschlägigen Jargon heißt. Das Gebäude war aber bereits zuvor ein klassischer Abrisskandidat. Nicht wegen eines bedenklichen Bauzustands, sondern allein wegen seiner geringen Höhe, wie viele andere Gebäude im Viertel, die bereits der Abrissbirne zum Opfer fielen (siehe Galerie Dachbodenausbau, Sanierungen, Neubauten). Es hätte nur per Denkmalschutz gerettet werden können.

Zweifellos kann hier per Abriss und Neubau mehr Wohnraum entstehen als jetzt zur Verfügung steht. Insofern war das Objekt nicht per se ein idealer Besetzungskandidat – allerdings nur, wenn hier “leistbarer Wohnraum” geschaffen werden könnte. Das ist aber im Yppen-/Brunnenviertel nur in sehr begrenztem Umfang möglich: Erstens nur bei Mietobjekten (der Neubau hier beschränkt sich aber großteils auf Eigentumswohnungen), zweitens über die Wohnbauförderung (und die dadurch lediglich vorübergehend geringeren Mieten) und drittens, bei privater Finanzierung, durch sehr kleine Wohnungsgrößen für “Single-Haushalte”. Jene Kategorie von Wohnungen, die hier und in Wien generell fehlen, sind jedoch solche, die sich auch Familien aus den unteren Einkommensschichten leisten können. Und die werden hier mit Sicherheit nicht entstehen.

Spekulation: Kein “Big Deal”
Besonders viel dürfte aus dem Grundstück nicht herauszuholen sein, zumindest auf Basis der Flächenwidmung, siehe Plan unten. Lediglich der straßenseitige Teil ist WGV III, d.h. die Gebäudehöhe kann bis zu 16 Meter betragen. Der größere Teil der Liegenschaft ist als WGV I 5m g gewidmet, (Wohn-/Geschäftsviertel, Bauklasse I, höchstens 5 m hoch). Was die besonderen Bestimmungen (“BB”) besagen, wäre zu eruieren.


Quelle: Wiener Stadtplan, Flächenwidmung

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