Willkommen am WC-Platz

Vor der Eröffnung der neuen Mini-Fuzo am Yppenplatz am 5. Mai sind einige zentrale Fragen unbeantwortet. Eine Auswahl: Sollte es in Zukunft nicht “WC-Platz” statt Yppenplatz heißen? Wird die Gegend in Zukunft ganztägig mit Ottakringer-Werbung beschallt? Und was kostet der Spaß nun wirklich?

Am Tag der Arbeit mache ich einen kleinen Rundgang um die Baustellen am Yppenplatz. Dabei fällt mir auf: Das dominante Bauwerk, der Blickfang der neuen Mini-Fuzo, jedenfalls von Süden aus, ist gar nicht das Ottakringer-Häuschen, sondern das neue, ziemlich bombastisch geratene WC, das bis zu dreimal größer ist als das alte.

Das Gebäude dürfte nicht nur länger sein als das Flagship Store des Brauwerk Wien (am Dach gemessen), es steht freier und ragt zudem noch weiter in die Fuzo hinein; dazu kommt noch das auffällige Blau der Dachkanten – siehe Fotos.
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Es wäre ja naheliegend gewesen, das Monster-WC zumindest ein bisschen zu verstecken, mit Bäumchen etwa. Das ging aber wegen dem nötigen Platz für den LKW-Zugang zum Mistplatz nicht, denke ich mir. Man kann nicht alles haben. Es wäre aber vielleicht angemessen, die in Wien wohl einzigartige visuelle Dominanz einer öffentlichen WC-Anlage auch durch eine Umbenennung zu würdigen: Warum nicht “WC-Platz” statt Yppenplatz?

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Mistplatz: Schluss mit Dumpstern? Im zweiten Versuch hat’s nun geklappt mit der Absperrung des Mistplatzes der MA 48 – der erste scheiterte an den Wiener Netzen (siehe Fast schon skurril).

In Kombination mit der zukünftigen “Betreuung” des Mistplatzes könnte allerdings durchaus wahr werden, was ein Bekannter schon im Herbst befürchtet hat: Es wird schwieriger werden, wenn nicht unmöglich, an das noch brauchbare Obst und Gemüse heranzukommen, dass dort ansonsten vernichtet wird (Containern/Dumpstern, Wikipedia). Was auf einem Wiener Mistplatz abgegeben wurde, hat dort zu 100% zu verbleiben – da fährt die Eisenbahn drüber. Probieren Sie mal, etwas aus einem Container herauszunehmen.

Sollte sich das bewahrheiten, hätte unsere Bobo-Fraktion vulgo Bezirks- und Gemeindeverwaltung gleich zwei Fliegen mit einer Klappe getroffen: Mit dem roten Teppich für die Ottakringer Brauerei wäre man gleich auch die zwielichtigen Gestalten los, die sich an Markttagen beim Mistplatz herumtreiben. Die haben in einem aufstrebenden Viertel ohnehin nichts zu suchen.

Flagship Store Brauwerk Wien: Die wahrscheinlich vorschriftswidrige Kletterwand ist natürlich noch da und sieht wirklich super aus. Vielleicht teste ich sie selbst einmal (wenn niemand zusieht). Bleibt abzuwarten, wann es den ersten Unfall gibt und was dann passiert.

Das Schlimmste ist mir bisher aber noch gar nicht in den Sinn gekommen, und ich wurde erst von einer mir bekannten Anrainerin darauf aufmerksam gemacht: die Lautsprecherboxen am Gebäude (siehe Foto).
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Ein “Testbetrieb” der Anlage vor ein paar Tagen mit platzfüllender Lautstärke versetzte sie in Furcht und Schrecken. Wenn die Ottakringer Brauerei ihren Schanigarten tatsächlich beschallen darf, wäre das an sich schon eine Frechheit. Nicht auszudenken aber, wenn alle anderen auf der Piazza nachziehen: Dann geht’s hier zu wie im Wurstelprater. In beiden Fällen müsste sie wohl eine BürgerInneninitiative gründen, meinte meine Bekannte. Meine Unterstützung hätte sie. Ein permanentes Gedudel am Platz, das einen von Frühjahr bis Herbst zum Verschließen der Fenster zwingt, ist für mich ein Horrorszenario. Bleibt zu hoffen, dass es nicht so weit kommt.

Kosten: Intransparenz. Der Murks in punkto Öffentlichkeitsarbeit und BürgerInnennähe, den das ganze Projekt verkörpert, setzt sich auch bei den Kostenangaben fort. Laut einem Artikel in der Presse vom 23.4.2015 (Yppenplatz: Fußgänger, Craft-Bier & Haubenkoch) würde die Umgestaltung insgesamt 730.000 Euro kosten: 330.000 für das Monster-Klo, 250.000 für die Fuzo und 150.000 für die Baumaßnahmen beim Mistplatz. Unwahrscheinlich, dass da die Kosten für die Verlegung der Citybike-Station schon dabei sind (an die 50.000 Euro).

Das ist aber trotzdem nur die Hälfte des Betrags, der Ende Jänner auf meinbezirk.at genannt wurde (Es kommt Bewegung in den Yppenplatz). Da hieß es: “Die Gesamtkosten für alle Neuerungen werden sich auf rund 1,5 Millionen Euro belaufen.” (Mit Foto von Bezirksvorsteher Prokop, Pläne vorzeigend). Zumindest einmal wurde hier offenbar gelogen – nein, sagen wir lieber: nicht die ganze Wahrheit gesagt. Fragt sich bloß, in welchem Fall. Es darf geraten werden.

Konstruktion einer Scheinrealität. Mit dem Artikel in der Presse wird übrigens auch schon versucht, eine Scheinrealität zu konstruieren: “Der Bezirk nahm die privaten Bauarbeiten zum Anlass, auch selbst den Platz umzugestalten”, lässt sich dort lesen – das ist wohl die neue offizielle Geschichtsschreibung. Aber wer soll das glauben? Natürlich waren die Umgestaltungen nicht ein optionales Beiwerk, sondern Bedingungen dafür, dass die Ottakringer Brauerei hier überhaupt investiert. Dieser Verschleierungsversuch ist zum Scheitern verurteilt, lässt aber Rückschlüsse auf die Verantwortlichen zu: Man hat zwar einen roten Teppich ausgelegt, will das aber öffentlich nicht wirklich zugeben. Lächerlich oder traurig, je nachdem.

Damit nicht genug: Auf “Wunsch der Anrainer und Marktstandbetreiber”, heißt es in dem besagten Artikel, würden beide Einrichtungen (WC, Mistplatz) mit einer Betreuung besetzt. Welche AnrainerInnen befragt wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich jedenfalls nicht und auch niemand, den oder die ich kenne. Aber das war ja schon bei der Yppenpark-Umgestaltung 2 von 2010 der Fall (siehe Rashomon am Yppenplatz). Manche AnrainerInnen sind eben gleicher als die anderen.

Etwas Positives noch zum Schluss: Die drei neuen Bäumchen in der Mini-Fuzo (Gleditschien) finde ich gut. Hoffen wir, dass sie gedeihen – wie auch die beiden jungen Zürgelbäume auf der Piazza nebenan. Das wird sich aber erst in weiterer Zukunft zeigen – die mittlerweile entsorgten, da sterbenden Silberlinden sahen die ersten Jahre auch ganz gut aus.

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