Rashomon am Yppenplatz II: Der Online-Baumkataster

Die Aufwertung des Yppen-/Brunnenviertels ist der Stadtverwaltung ein Anliegen und Millionen Euro wert (von unserem Geld). Für einen korrekten Online-Baumkataster reicht’s aber offenbar nicht.

Ich hab’s nicht so mit dem Stadtgartenamt, der MA 42. Zumindest was den Yppenpark und die nähere Umgebung betrifft. Warum, kann man unter Rashomon am Yppenplatz nachlesen. Das war 2012. Mein damaliger Eindruck: Die MA 42 weiß nicht so genau, was da mit den von ihr gepflanzten Bäumen passiert. Was sie natürlich bestreitet.

Jetzt hab‘ ich das Stadtgartenamt aber erwischt, und diesmal gibt’s keine Ausreden und Ausflüchte: Der Online-Baumkataster der Stadt Wien, für den die MA 42 verantwortlich zeichnet, integriert in den offiziellen Stadtplan im Web, ist nämlich aus lokaler Sicht ein Mist – abgesehen von sonstigem Unsinn.

Wieso ein Mist? Nun, davon kann sich jede und jeder selbst überzeugen.

Beispiel 1: Die Silberlinden auf der Piazza.
Die berühmte „Piazza“, Herzstück der Gentrifizierung qua Aufwertung der Gastronomie (je teurer, desto besser), wurde im Zuge der Umgestaltung des Brunnenmarkts und des Yppenplatzes 1999 geschaffen. Zwecks Beschattung der Asphalt- und Pflastersteinwüste wurden sechs Silberlinden gepflanzt. Wunderbar.

piazza_linden6Mal sehen, was die MA 42 darüber weiß. Also Stadtplan aufrufen, Baumkataster anhaken, Adresse eingeben, einzoomen, na da sind sie ja schon, die sechs Silberlinden. Und jetzt wird’s lustig. Klick auf Nr. 1 – Pflanzjahr: 2004. Na sicher nicht. Nr. 2: 1977. Na das schon gar nicht! Nr. 3: 2001. Na sowas. Nr. 4: Pflanzjahr: 1977 – schon wieder, tztztz. Nr. 5: 2000. Na das kommt ja schon fast hin. Nr. 6: 1977, meine Güte (siehe Screenshots, bitte Bild rechts anklicken!).

Grotesk. Wer hat diese Jahre in die Datenbank eingegeben? Alle wurden 1999 gepflanzt.

Beispiel 2: Die Bäume am Yppenplatz.
Im Yppenpark wurde 2010 im Rahmen der abgefeierten und EU-subventionierten Umgestaltung, die zweite innerhalb von etwas mehr als zehn Jahren, ein ganzer Haufen Jungbäume gepflanzt. Mit den Pflanzjahren sollte es da kein Problem geben, denn die Stadt Wien versichert: „Ab 2006 ist das genaue Pflanzjahr bekannt.“

Who's done it?

Who’s done it?

Drei davon mussten leider inzwischen schon ersetzt werden, wie da wären: ein Ahorn neben der öffentlichen Toilette, der ist einfach eingegangen, eine Linde beim Kinderspielplatz, die wurde 2012 beim Sandaustauschen von einem LKW-Fahrer umgehackt (was laut MA 42 gar nicht passiert ist; dafür soll vielmehr der asiatische Bockkäfer verantwortlich gewesen sein) und zuletzt eine Säulenblasenesche beim Fußballkäfig, der plötzlich die Hälfte der Krone abbrach (siehe Foto – war’s der Wind, waren’s böse Buben, ist am Yppenplatz schwer zu sagen, vielleicht befindet sich genau hier eine Schnittstelle zu einem Paralleluniversum).

Wo der Ahorn war, steht nun ein Toringo-Apfelbaum, stimmt; statt der Linde ein Ahorn, stimmt auch, und statt der Säulenblasenesche eine Linde. Toll. Bei den ersten beiden steht: „Pflanzjahr unbekannt„. Liebe MA 42, das war jeweils 2012. Immerhin, bei der Linde steht: „Pflanzjahr: 2013“. Korrekt.

Aber es ist kaum zu glauben: Das ist der einzige Baum am ganzen Yppenplatz mit einem bekannten Pflanzjahr! Von den doppelreihig gepflanzten Linden über Birnen bis zu Blaseneschen und Baumhasel: Die MA 42 hat zumindest laut Baumkataster keine Ahnung, wann sie die eingesetzt hat. Dabei muss das ja großteils sogar mit der EU verrechnet worden sein.

Zwecks Kontrolle klicke ich dann noch die jungen Gingkos an, die im Rahmen der Umgestaltung der Ottakringer Straße gepflanzt wurden. Siehe da: 2013 – korrekt! Das Verhältnis der MA 42 zum Yppenplatz muss ein besonderes sein.

Nebenbei zu noch einem skurrilen Unsinn. Junge Bäume werden im Kataster zumeist mit folgenden absurden Angaben versehen: Kronendurchmesser – 3m; Baumhöhe – 1m. Das ist kein Zufall, sondern hat Methode, wie Tests anderswo in Wien ergeben. Auch bei den erwähnten hochaufstrebenden Gingkos steht derselbe Schmarrn: 1m hoch, 3m breit. Wenn schon, dann wär’s wohl umgekehrt sinnvoller, aber das scheint niemandem in der MA 42 zu kümmern. Vielleicht finden sie’s auch gut so. Ich traue ihnen das zu.

Schließlich zum letzten Manko. Laut Website der Stadt Wien werden sämtliche Laubbäume nach Vitalitätsstufen klassifiziert – von 0 („sehr gesund“) bis 3 („schlecht“).

Leider sind diese Daten im Online-Baumkataster nicht erfasst. Fragt sich, warum. Wäre bloß eine zusätzliche Zeile.

Kleine Verschwörungstheorie gefällig? Nicht dass ich das der MA 42 wirklich unterstellen will. Aber es könnte ja der Verdacht geschöpft werden, dass die Vitalitätsstufe deshalb nicht angegeben wird, damit es einfacher ist, Bäume auf öffentlichem Grund, die z.B. als geschäftsstörend empfunden werden, gegen eine Privatspende entfernen zu lassen. Die betreffenden Bäume waren leider „von xy befallen“ oder sonstwie eine Gefahrenquelle „und mussten entfernt werden“, könnte es dann danach heißen. Das ginge allerdings auch mit scheinbar gesunden Exemplaren, insofern ist meine Verschwörungstheorie nicht ganz überzeugend (da ist sie aber nicht die einzige). Sicher scheint bloß: Das Stadtgartenamt hat per definitionem recht, und Widerspruch ist zwecklos. Siehe Rashomon am Yppenplatz.

Noch was zu den Silberlinden auf der Piazza. Mittlerweile zeigen drei Exemplare, die westlicheren, Krankheitsanzeichen, die sich von Jahr zu Jahr verschlimmern – ganze Äste und Kronenteile trocknen aus und treiben bereits nicht mehr. Zu den Ursachen kursiert vor allem eine Theorie: Wassermangel. (Falls im Yppenpark etwas nicht ordentlich wächst, muss stets der Schutzbunker unter dem Park als Sündenbock herhalten. Das geht auf der Piazza natürlich nicht.)

Ich favorisiere eine andere Theorie. Ich glaube eher, die MA 48 (für Abfall, Straßenreinigung etc. zuständig) ist schuld, oder eigentlich die MA 59 (das Marktamt). Weil im Winter eine Unmenge von Salz/Salzlösung gestreut wird, um die Piazza – offiziell „Marktgebiet“ – schnee- und eisfrei zu bekommen. Davon sind in erster Linie die drei Problemlinden betroffen, die anderen kaum. Bei Grünflächen ist ja ein Abstand von 10 Metern einzuhalten, aber a) ist das keine Grünfläche und b) ginge das schon aus rein praktischen Gründen nicht.

Das geschieht in der Regel weit nach Mitternacht, und mit geschätzten 90 Dezibel. Dass die Gerätschaften der MA 48 so laut sind, ist ja schon schlimm genug. Schlimmer noch ist aber, dass auch dann geräumt und gestreut wird, wenn es Plusgrade hat und der so genannte „Schnee“ sich spätestens bis zum nächsten Morgen ganz von alleine in Wasser verwandelt hätte.

Was die MA 42 zu alldem zu sagen hat, werde ich per E-Mail-Anfrage zu klären versuchen, und zwar wie folgt (die Antwort kam bereits am 10. April und ist nach der Anfrage zu lesen):

Sehr geehrte MA 42,

ich hätte gerne Auskunft zu den folgenden Fragen insbesondere betreffend den Online-Baumkataster:

1. Auf der „Piazza“ am Brunnenmarkt, Ecke Payergasse/Brunnengasse stehen sechs Silberlinden. Wie kommt es zu den merkwürdigen Pflanzjahren dieser Bäume, die dem Baumkataster zu entnehmen sind (1977, 2000, 2001, 2004)?

2. Am Yppenplatz wurden in den letzten Jahren zahlreiche Jungbäume gepflanzt, zuletzt im Rahmen einer EU-subventionierten Umgestaltung im Jahr 2010. Wie lässt sich erklären, dass bis auf eine einzige Ausnahme bei allen der ca. 40 oder 41 Bäume am Yppenplatz im Kataster angeführt ist: „Pflanzjahr unbekannt“? Laut Website der Stadt Wien ist angeblich „ab 2006 das genaue Pflanzjahr bekannt“.

3. Bei jungen Bäumen sind dem Baumkataster quer durchs gesamte Stadtgebiet zumeist folgende Angaben zu entnehmen: Kronendurchmesser: 3m Baumhöhe: 1m. Welche Gründe haben die MA 42 dazu bewogen, offenbar routinemäßig unmögliche und absurde Daten in den Kataster einzugeben?

4. Laut Website der Stadt Wien werden alle Bäume im Baumkataster anhand einer vierstufigen Vitalitätsskala eingestuft. Warum sind diese Vitalitätsstufen nicht im Online-Baumkataster angegeben?

5. Der Zustand von drei der sechs anfangs erwähnten Silberlinden auf der Piazza verschlechtert sich seit Jahren in erschreckendem Ausmaß (Baumnummern 7, 8 und 11). Welcher Vitalitätsstufe sind diese Linden zugeordnet, welche Gründe könnten nach Ansicht der MA 42 für diese Verschlechterung maßgeblich sein und gibt es aus Sicht der MA 42 noch eine Chance, diese Silberlinden zu retten?

Vielen Dank für Ihre Antwort im Voraus

Mit freundlichen Grüßen

Robert Poth

Und hier die Antwort (Grammatikfehler habe ich ausgebessert):

Sehr geehrter Hr.Poth

Danke für Ihren Hinweis.
Da noch nicht alle Bäume vollerfasst sind kann es z.Z. noch zu Informationslücken kommen. Wir werden die Daten in nächster Zeit ergänzen.
Der schlechte Zustand der Linden ist auf Stress als Folge eines Extremstandortes zurückzuführen. Eine Verbesserung kann durch gärtnerische Maßnahmen leider nur bedingt erzielt werden.

Mit freundlichen Grüßen

Günter Berger
Dezernat 6, Referat Baumsicherheit- u.pflege
1010 Wien, Am Stadtpark 2

Kommentar: Wie sofort zu erkennen, wurden meine Fragen 1, 3 und 4 schlichtweg ignoriert. Verständlich, weil peinlich, andererseits: Gerade das wäre ja lustig gewesen. Immerhin lässt sich in Zukunft feststellen, was die MA 42 unter „in nächster Zeit“ versteht …

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